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Die ehemalige Bundesfamilienministerin Anne Spiegel im Interview mit GründerMütter

Über die Themen: Gründen, Gleichberechtigung und Vereinbarkeit von Beruf & Familie sprach die ehemalige Bundesfamilienministerin Anne Spiegel im März 2022 mit Stefanie Gundel, Gründerin der GründerMütter. Anne Spiegel war von Dezember 2021 bis April 2022 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend der Bundesrepublik Deutschland und ist selber auch Mutter von vier Kindern.

GründerMütter: Guten Tag Frau Spiegel! Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein GründerMütter Interview nehmen. In unserem Netzwerk gibt es viele Frauen, die sich neben anderen Motiven auch vor dem Hintergrund der „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ selbstständig gemacht haben. Wie schwierig sehen Sie es aktuell in Deutschland, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen?

Bundesfamilienministerin Spiegel: Aus Studien wissen wir, dass etwa die Hälfte der Männer mehr Zeit mit der Familie verbringen möchten, während gleichzeitig vier von zehn Frauen mehr Zeit für den Beruf haben wollen.

Die Realität sieht anders aus: Im zweiten Jahr der Pandemie haben viele Mütter für die Kinderbetreuung weiterhin ihre Arbeitszeit reduziert, während viele Väter – anders als im ersten Lockdown –wieder zu ihrem gewohnten Arbeitsumfang zurückgekehrt sind. Viele Frauen wurden unfreiwillig in alte Rollenmuster zurückgedrängt.

Diese Schieflage ist für mich ein Ansporn, Gleichstellung voranzubringen, damit Wunsch und Wirklichkeit nicht mehr so weit auseinanderklaffen. 

GründerMütter: Welche Maßnahmen haben Sie geplant, um die Situation der Vereinbarkeit zu verbessern?

Bundesfamilienministerin Spiegel: In den letzten Jahren hat sich schon viel getan. 42 Prozent der Väter nehmen Elternzeit, die Kinderbetreuung wurde ausgebaut, um nur zwei wichtige Punkte zu nennen. Hier setzen wir mit der Ampelkoalition an: Wir schaffen eine 14-tägige bezahlte Freistellung nach der Geburt für den Partner oder die Partnerin und erhöhen die Partnermonate beim Elterngeld, wir verbessern den Kündigungsschutz nach der Elternzeit, wir bauen die Ganztagsbetreuung weiter aus und setzen dabei auch neue Maßstäbe für die Qualität.

Auch in den Unternehmen entsteht mehr und mehr ein Bewusstsein dafür, dass Vereinbarkeit ein wichtiger Erfolgsfaktor ist. Ohne Angebote zur flexiblen und mobilen Arbeit wird es zunehmend schwierig, junge Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Mit unserem Unternehmensprogramm „Erfolgsfaktor Familie“ unterstützen wir Arbeitgeber, die eine familienbewusste Personalpolitik umsetzen wollen.

Was wir brauchen ist eine Unternehmenskultur, in der es selbstverständlich ist, dass auch Führungskräfte – männliche wie weibliche – in Elternzeit und anschließend in Teilzeit gehen, um mehr Zeit für ihre Kinder zu haben. Ich bin überzeugt: Das gelingt umso besser, je mehr Frauen in Führungspositionen sind. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass Unternehmen, aber auch Behörden und andere Organisationen ihre Chefetagen paritätisch besetzen.

GründerMütter: Die weiblichen Gründungen in der Digitalbranche sind mit 16 Prozent immer noch gering. Wir sind der Meinung, dass insofern wertvolle Ideen & Sichtweisen außen vor und gesellschaftlich ungenutzt bleiben. Was denken Sie, wäre hier ein guter Ansatz, um mehr Frauen für die digitale Branche zu begeistern bzw. auch zu motivieren ein digitales Unternehmen zu gründen?

Bundesfamilienministerin Spiegel: Der Frauenanteil an Gründungen in der Digitalbranche ist in der Tat auffallend niedrig.

Dabei können wir es uns als Gesellschaft gar nicht leisten, auf das Innovationspotenzial von Gründerinnen in diesem Bereich zu verzichten.

Genau deshalb haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass es ein Gründerinnen-Stipendium für Frauen geben soll, die sich im Digitalsektor selbständig machen wollen. Angesetzt werden aber muss viel früher, wenn es darum geht, Mädchen und junge Frauen für eine Ausbildung oder ein Studium in diesem Bereich zu gewinnen. Es gibt bereits tolle Projekte, die helfen,  Geschlechterklischees zu durchbrechen. Davon brauchen wir noch mehr. Mit der „Initiative Klischeefrei“ fördern wir eine Berufsorientierung und Berufsberatung, die sich ausschließlich an den Interessen und Fähigkeiten junger Menschen orientiert und Rollenerwartungen hinterfragt.

Und natürlich brauchen wir auch, aber nicht nur in der Digitalbranche mehr sichtbare weibliche Vorbilder.

Netzwerke wie die GründerMütter leisten also bereits einen wichtigen Beitrag, um Gründerinnen in ihrer Vielfalt sichtbarer und präsenter zu machen.

 

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Video zum Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

GründerMütter: Bei der Gründung eines Unternehmens als sogenannte „Female Founder“ wird häufig das Thema der Gleichberechtigung angesprochen. Unter anderem wird über eine Diskrepanz bei der Vergabe und Verteilung von finanziellen Mitteln gesprochen. Zahlreiche Studien belegen, dass Investoren bevorzugt in männliche Gründer investieren. Wie schätzen Sie die Situation ein? Planen Sie hier Maßnahmen, um Gründerinnen zu unterstützen oder das System „gerechter“ zu machen?

Bundesfamilienministerin Spiegel: Auch hier haben wir es mit Zuschreibungen und Unbeweglichkeit in den Köpfen zu tun. Es scheint kein Zufall zu sein, dass der überwiegende Teil der Investoren bis heute männlich ist und dass Gründungskonzepte von männlichen Gründern in der Tendenz bei Investoren besser ankommen.

In den kommenden Jahren werden bei Gründungen soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeitsaspekte immer wichtiger – und die haben Gründerinnen häufiger im Blick.

Wir brauchen mehr Frauen als Investorinnen, damit sich solche Konzepte, die auch einen gesellschaftlichen Mehrwert beinhalten, stärker durchsetzen können.

Und natürlich müssen auch die politischen Rahmenbedingungen für Gründungen von Frauen verbessert werden. Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, Gründerinnen den Zugang zu Wagniskapital zu erleichtern.

GründerMütter: Herzlichen Dank für das interessante Interview!

Bundesfamilienministerin Spiegel: Ich wünsche allen GründerMüttern weiterhin viel Erfolg! Und ich werde mich dafür einsetzen, dass Sie als Gründerinnen und als Mütter die Unterstützung bekommen, die Sie brauchen, um Ihrem Beruf so nachgehen und Ihr Familienleben so gestalten zu können, wie Sie es sich vorstellen.

Im Jahr 2020 hat die ehemalige Bundesfamilienministerin Franziska Giffey GründerMütter im Rahmen ihrer Sommertour besucht. Einen Bericht über ihren Besuch bei uns findest du hier.


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