Gastbeitrag von Jennifer Jung-Behr
Wir kennen ihn bekanntlich alle – zumindest alle, die im Online-Umfeld unterwegs sind: den sagenumwobenen Sales Funnel. Über Jahre hinweg galt er als unverzichtbares Modell für den Verkauf und die Kundenakquise. Doch die digitale Welt entwickelt sich rasant weiter, und was gestern noch funktionierte, ist heute nicht mehr ausreichend. Warum der Sales Funnel im Jahr 2024 anders ist als noch vor ein paar Jahren und welche Modelle du ergänzend kennen solltest, erfährst du in diesem Artikel.
Wiederholung: Was ist der Sales Funnel?
Bevor wir in die aktuellen Entwicklungen eintauchen, lass uns noch einmal einen Schritt zurückgehen und den klassischen Sales Funnel genauer betrachten. Der Sales Funnel ist ein Modell, das den Weg eines potenziellen Kunden vom ersten Kontakt mit einem Produkt oder einer Marke bis hin zum Kauf beschreibt.
Das wohl bekannteste Modell, das häufig im Zusammenhang mit dem Sales Funnel verwendet wird, ist das AIDA-Prinzip:
- Attention (Aufmerksamkeit): Zunächst wird die Aufmerksamkeit des potenziellen Kunden erregt.
- Interest (Interesse): Anschließend wird sein Interesse geweckt, indem man ihm zeigt, wie das Produkt oder die Dienstleistung seine Bedürfnisse erfüllen kann.
- Desire (Verlangen): Im nächsten Schritt soll ein Verlangen nach dem Produkt entstehen.
- Action (Aktion): Abschließend soll der Kunde eine Kaufentscheidung treffen und die entsprechende Handlung ausführen.
Dieses Modell war lange Zeit der Goldstandard im Marketing. Es half Unternehmen dabei, ihre Marketing- und Verkaufsstrategien strukturiert aufzubauen und zu optimieren.
Warum ist der Sales Funnel „veraltet“?
Obwohl der Sales Funnel und das AIDA-Prinzip jahrzehntelang gut funktioniert haben, sind sie im Jahr 2024 nicht mehr ausreichend. Die digitale Welt ist komplexer geworden, und das Verhalten der Konsumenten hat sich drastisch verändert.
Kunden durchlaufen heute nicht mehr linear die Stufen von Aufmerksamkeit bis zur Aktion. Sie springen zwischen verschiedenen Phasen hin und her, vergleichen Produkte, lesen Bewertungen und suchen nach Bestätigungen, bevor sie eine Kaufentscheidung treffen.
Ein weiterer Punkt, der den Sales Funnel veraltet erscheinen lässt, ist die zunehmende Bedeutung von After-Sales-Prozessen und Kundenbindung. Es reicht nicht mehr aus, den Kunden nur zum Kauf zu führen; die langfristige Beziehung ist entscheidend geworden.
Welche Konzepte solltest du ergänzend kennen?
Da der klassische Sales Funnel nicht mehr ausreicht, ist es wichtig, sich mit neuen Konzepten auseinanderzusetzen, die die heutige Komplexität besser abbilden.
Zwei solcher Konzepte sind das „Messy Middle“ von Google und das „Flywheel“ von HubSpot.
Messy Middle von Google
Google hat das Konzept des „Messy Middle“ entwickelt, um die komplizierte und nicht-lineare Reise von Kunden im digitalen Raum zu beschreiben. Das „Messy Middle“ beschreibt die Phase, in der potenzielle Kunden zwischen der ersten Aufmerksamkeit und der finalen Kaufentscheidung hin und her springen. In dieser Phase sammeln sie Informationen, vergleichen Optionen und suchen nach Bestätigungen, bevor sie eine Entscheidung treffen.
Es ist ein chaotischer Prozess, bei dem Kunden immer wieder in ihren Entscheidungen schwanken. Deswegen gibt es kaum mehr direkte Abverkäufe; stattdessen fangen die potenziellen Kundinnen erst an, zu vergleichen und zu recherchieren. Für dich als Unternehmerin bedeutet das, dass du sicherstellen musst, dass dein Angebot in jeder dieser Phasen präsent ist. Du musst sowohl bei der ersten Aufmerksamkeit als auch bei den Vergleichs- und Entscheidungsprozessen aktiv sein, damit du immer im Kopf deiner Kundinnen präsent bist.
Flywheel von HubSpot
Das Flywheel-Modell von HubSpot geht einen Schritt weiter und stellt das Konzept eines kontinuierlichen Kreislaufs vor, anstatt einer linearen Abfolge. Es betont die Bedeutung der Kundenbindung und des Kundenfeedbacks für das Unternehmenswachstum, indem es den Kunden in den Fokus stellt.
Das Flywheel besteht aus drei Phasen: Anziehen (Attract), Einbinden (Engage) und Begeistern (Delight).
- Anziehen – Der Marketing-Teil: Du ziehst potenzielle Kunden z.B. mit wertvollem Content an.
- Einbinden – Der Vertriebs-Part: Du bindest sie ein, indem du ihnen hilfst, ihre Probleme zu lösen.
- Begeistern – Der Service-Abschnitt: Du begeisterst sie, indem du ihre Erwartungen übertriffst und so langfristige Beziehungen aufbaust.
Der Vorteil dieses Modells liegt in der Berücksichtigung von Weiterempfehlungen und wiederholten Käufen, die durch begeisterte Kunden entstehen. Es ist ein dynamischer Prozess, der das Kundenfeedback kontinuierlich nutzt, um das Geschäft anzukurbeln.
Besonders anschaulich ist die Metapher des „Schwungrads“, das sich durch eine Energieeffizienz auszeichnet. Beim linearen Sales Funnel-Modell (z.B. AIDA) ist der Kunde/Lead das Endziel. Die Energie, die aufgewendet wurde, verpufft am Ende, und man fängt wieder von vorne an. Anders ist es beim Flywheel-Konzept, wo die aufgewendete Energie durch Weiterempfehlungen oder weitere Käufe in den Kreislauf zurückgeführt wird. Große Konzerne wie Amazon, Apple oder Tesla nutzen dieses Konzept bereits erfolgreich.
Was bedeutet dies konkret für dich in deinem Alltag?
Fassen wir die Konzepte zusammen:
Flywheel: Ein von HubSpot populär gemachtes Modell, das den Fokus auf kontinuierliche Kundenbindung und -begeisterung legt. Zufriedene Kunden treiben durch Empfehlungen und wiederholte Käufe das Geschäftswachstum nachhaltig und organisch an. Das Flywheel kann als übergeordnetes Konzept verstanden werden.
Sales Funnel: Ein traditionelles Modell, das den linearen Weg eines potenziellen Kunden vom ersten Kontakt bis zum Kauf beschreibt. Meistens hat man einzelne Sales Funnels als Prozesse in den einzelnen Flywheel-Phasen.
Messy Middle: Ein von Google entwickeltes Konzept, das die chaotische und nicht-lineare Entscheidungsphase von Kunden beschreibt. Kunden springen zwischen verschiedenen Phasen hin und her, bevor sie eine Kaufentscheidung treffen. Dieses Hin- und Herspringen muss in den einzelnen Phasen/Funnels, aber auch in der übergeordneten Strategie berücksichtigt werden.
Kurze Checkliste – Wie kann man die Konzepte integrieren?
1. Präsenz in der „Messy Middle“ sicherstellen
- Sind alle wichtigen Informationen zu deinen Produkten oder Dienstleistungen leicht auf deiner Website und in deinen Social Media-Profilen zu finden?
- Erstellst du visuell einheitliche Inhalte auf allen Kanälen, um die Wiedererkennbarkeit deiner Marke zu gewährleisten?
- Zeigst du deine Persönlichkeit und Authentizität auf Social Media und deiner Website?
- Nutzt du Kundenfeedback und Empfehlungen aktiv, um Vertrauen aufzubauen? Teilst und förderst du positive Bewertungen und Kundenstimmen auf deinen Kanälen?
2. Flywheel-Modell umsetzen
- Verwendest du ein einfaches CRM-Tool, um die Kommunikation mit deinen Kunden zu organisieren und zu personalisieren, ohne großen Aufwand?
- Wie begeisterst du deine Kunden trotz kleinem Budget?
- Ermutigst du zufriedene Kunden aktiv, dich weiterzuempfehlen? Bietest du dafür kleine Anreize wie Rabattcodes? Hast du einfache Prozesse (z.B. E-Mail-Sequenzen) eingerichtet, um diese Empfehlungen zu fördern?
- Fragst du regelmäßig nach Feedback, zum Beispiel durch kurze Umfragen oder direkte Gespräche? Nutzt du dieses Feedback, um deine Angebote und deine Kundenansprache kontinuierlich zu verbessern?
Fazit
Der Sales Funnel ist nicht tot, sondern sollte durch neuere Konzepte erweitert werden. In einer sich ständig verändernden digitalen Landschaft ist es entscheidend, flexibel zu bleiben und deine Marketing– und Vertriebsstrategien kontinuierlich anzupassen. Für kleine Accounts bedeutet dies, den klassischen Sales Funnel durch einfache, aber effektive Ansätze wie das „Messy Middle“ und das „Flywheel“-Modell zu erweitern. Indem du dich auf authentische Kundenbeziehungen, konsistente Markenpräsenz und die aktive Nutzung von Kundenfeedback konzentrierst, kannst du auch mit begrenzten Ressourcen nachhaltiges Wachstum erzielen. Stelle sicher, dass du regelmäßig überprüfst, wie gut diese Strategien für dein Unternehmen funktionieren, und sei bereit, sie weiterzuentwickeln.
Über Jennifer Jung-Behr
Hi, ich bin Jenna, Gründerin von PinkBots.
Nach vielen Jahren in der IT- und Unternehmensberatung, in denen ich mittelständische Unternehmen und DAX-Konzerne unterstützt habe, brachte die Geburt meiner Tochter 2021 einen Wendepunkt in meinem Leben. Dieser Neuanfang führte 2023 zur Gründung von PinkBots – mit dem Ziel, kleine Unternehmen auf ihrem Weg in die digitale Zukunft zu begleiten.
Mit meiner Expertise optimiere ich Geschäftsprozesse, wähle die passenden Tools und Softwarelösungen aus und entwickle effektive Strategien für digitalen Vertrieb, Marketing-Performance und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Mein Ziel ist es, dir zu helfen, dein Unternehmen effizienter und erfolgreicher zu machen – und dir mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge zu verschaffen.
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